SKIN WHITENING

[Universität Hamburg | Institut für Kulturanthropologie | Erscheinungsjahr: 2016]

Inhaltsverzeichnis

SKIN WHITENING – Eine filmische Dokumentation

Dark skin isn`t very appealing. We see white skin as beautiful and very attractive“ (Skin Play 15:40Min), beschreibt Sochieta den asiatischen Blick auf Hautfarbe. Die kambodschanischen Kosmetikregale sind zu 90 % von Whitening Produkten gefüllt, die diesen Wunsch erfüllen sollen. Meine Feldforschung stellt die Alltagspraxis des kambodschanischen Schönheitshandelns um weiße Haut dar. Hierbei spielen wiederholende Handlungen der Akteure die entscheidende Rolle in der Konstruktion des weiß seins. Diese verschiedenen Akteure stehen im Mittelpunkt meines Films Skin Play, der einen Einblick in das Alltagshandeln einiger kambodschanischer Frauen gibt, welche mit ihrer Hautfarbe in verschiedener Weise spielen.

Die Darstellungen von Haut in Werbefilmen der Kosmetikindustrie spielen eine entscheidende Rolle bei der Erzeugung der Kategorien heller und dunkler Haut, was über verschiedene Szenen im Film Ausdruck findet. Um diese Wechselwirkung darzustellen, habe ich im Schnitt eine Parallelmontage der Szenen der jungen Frauen mit den Szenen der Werbefilme gewählt. Die in der Werbung dargestellte Haut verlangt Veränderung und Arbeit am eigenen Körper, für dessen Optimierung das Individuum die Verantwortung trägt. Saronichs Alltagspraxis ist geprägt von einer „hoch aufmerksame[n] reflexive[n] Zuwendung auf den eigenen Körper“, was von Michael Meuser als Teil der Konsumkultur beschrieben wird (Meuser 2004: 201). „This massage became my habit now. If we want our skin to be brighter, we need to use it. I used to be lazy, but not anymore. I need my skin brighter in order to go outside or party“, erklärt Saronich im Film (Skin Play 05:51Min). Um das eigene Körperbild von weißer Haut zu erreichen, ist Saronich zu Selbstdisziplinierung und der Überwindung der eigenen Trägheit bereit. Im Film soll dies in der genauen Schrittabfolge ihrer regelmäßigen Routine bei der Anwendung von Aufhellungsprodukten Ausdruck finden.

Foucault beschreibt diese Technologien des Selbst, in welchen das Individuum sich ständig selbst führe und diszipliniere, als eine Folge subtiler Maßnahmen – der „Mikrophysik der Macht“, welche über scheinbar unschuldige, „kleine Hinterlistigkeit[…] große Verbreitungsmacht“ erreiche und so über „die Listen der aufmerksamen Böswilligkeiten“ zu einer „Besetzung des Körpers“ führten (Foucault, 1975, S. 178). Um dem ausgesetzten Druck und der ständigen Nutzenmaximierung standzuhalten, passe das Individuum sein eigenes Handeln und Denken an und lasse somit das Einnehmen des eigenen Körpers zu. Diese Macht- und Herrschaftsgefüge, welche das Handeln und Denken prägen, lassen sich bezogen auf das Schönheitshandeln um weiße Haut nicht ausschließlich auf die Kategorie der Hautfarbe beziehen.

It changes the face to a white colour very fast and reduces wrinkles. […] This one depends on the age as well. It keeps our skin young, stops it from getting wrinkles and old.“ (Saronich in Skin Play 07:55Min, 11:43Min)

In Saronichs Beschreibung ihrer Produkte lässt sich eine Verwobenheit zwischen dem Aufhellen und dem Junghalten der Haut erkennen. Ein solcher Überschneidungsraum von Dominanz- und Normierungsverhältnissen der sozialen Identitäten Hautfarbe und Alter findet im Konzept der Intersektionalität Ausdruck. Crenshaw beschreibt Intersektionalität als „politisches Identitätskonzept“, entstanden aus der „sozialen Position schwarzer Frauen“, bei denen Doing Gender und Doing Race als sich „überlappende Systeme von Subordination“ aufgefasst wurden (Crenshaw zitiert nach Walgenbach 2012). Walgenbach jedoch prägte den Begriff der „Interdependenten Kategorien“, welcher betont, dass ein Wechselverhältnis der einzelnen Kategorien für deren Bildung selbst entscheidend ist.

Wichtig in der filmischen Darstellung der Gesprächs-Szenen war mir, ein möglichst breites Spektrum der von ihnen geführten Unterhaltungen wiederzugeben, um ein solches Wechselverhältnis sozialer Kategorien und Normvorstellungen aufzeigen zu können. So lässt sich beobachten, dass neben des Altersaspekts auch Doing Gender eine Rolle spielt.

„Maybe the men feel shy because usually men don`t need to become beautiful It`s enough if their skin is medium brown. […] We as women do not need to be ashamed because it`s normal that women need to be beautiful.“ (Saronich, Solyka in Skin Play 07:09Min)

Wie Susan Sonntag in ihrem Aufsatz Double Standards of Aging bei Frauen ein Schamgefühl in Bezug auf ihren alternden Körper beschreibt, kann hier von einem von Frauen empfundenen Schamgefühl gegenüber der eigenen dunklen Haut beobachtet werden. Männern ist es erlaubt, eine „medium brown“ (ebd. 07:16Min) Hautfarbe zu haben, während Frauen hohe Erwartungen in Bezug auf ihr Schönheitshandeln entgegen gebracht werden. Erst nach der Veränderung hin zu weißer Haut ist es Saronich möglich, „sexy clothes, something like dress or short pants“ (ebd. 12:29Min) zu tragen. Eitelkeit und Körperarbeit der Frau werden als gegebene weibliche Eigenschaften konstruiert (Sontag 1972).

Die vom Schönheitsideal geprägten Männer reproduzieren in ihrem Handeln das weiß sein, wie die im letzten Werbespot dargestellte Situation überspitzt aufzeigt (Skin Play 19:29Min). Der Mann, welcher selbst deutlich dunklere Haut hat, ist an der Frau erst nach der Aufhellung ihrer Haut interessiert. Saronich beschreibt, dass ihre männlichen Kunden sich kaum trauen würden, nach Aufhellungsprodukten zu fragen. Das Schönheitshandeln um weiße Haut trägt eine weibliche Konnotation, wie es auch Julia Twigg in Bezug auf Klamotten benennt. Sie beschreibt einen sexy Ausschnitt in einem bestimmten Alter als gesellschaftlich unangebracht, wogegen hier der helle Haut Ton für die Kürze der Hot Pans entscheidend ist (Twigg 2007).

Viele der Produkte und deren Werbespots in Kambodscha kommen aus Thailand, Japan oder Korea. Diese wirtschaftlich besser gestellten Länder werden häufig als Vorbilder gesehen, wie auch Saronich das Interesse an Korea beschreibt (Skin Play 07:19Min). In Kambodscha können lediglich die Reichen eine 5-wöchige Spritzen-Behandlung von knapp 600 Dollar umsetzen. Das Monatseinkommen der studierten Mittelschicht liegt bei etwa 300-500 Dollar. So spielt Doing Class als interdependente Kategorie eine wichtige Rolle in der Konstruktion des weiß seins. Wie weit die Aufhellung der Haut möglich ist, steht stellvertretend für die Möglichkeit, sich teure Produkte und medizinische Eingriffe leisten zu können.

Mone Spindler beobachtet, dass eine Unzufriedenheit des Alters in Ratgeber-Magazinen als „natürliche Folge materialer Körper“ dargestellt wird (Spindler 2007: 96). Dies lässt sich auch auf die Werbespots zur Hautaufhellung beziehen, bei welchen Hautreinheit und Hautfarbe die Rolle „eigenständige[r] Konstrukteure sozialer Verhältnisse“ einnehmen, wenn die helle Haut Erfolge beim anderen Geschlecht oder Stipendien in der Universität zur Folge haben (Spindler 2007: 96). Die Optimierung der eigenen Hautfarbe schafft die Möglichkeit, die eigene soziale Stellung zu beeinflussen. So wird das weiß sein immer wieder im Handeln der auf die Hautfarbe reagierenden und sie dadurch reproduzierenden Akteure geschaffen, wie an Sochietas Sicht auf Job-Bewerbungen deutlich wird.

„It is good to have white skin, especially if you apply for a job, as a seller of colthes or products. If you have black skin and are not pretty, they won`t choose you for the job. But if you have white skin, they will choose you.“ (Sochieta in Skin Play 18:09Min)

Auch die Pathologisierung dunkler Haut spielt in der kambodschanischen Gesellschaft eine Rolle, was über die Produktbeschreibung Saronichs zum Ausdruck kommt. „Some people do not eat enough fruits or vegetables. Then their skin is not bright and white. The pills and the liquid substitute it“ (Skin Play 11:26Min). Saronich beschreibt die Inhaltsstoffe der Tabletten als gesundheitsfördernd mit Inhaltsstoffen wie Vitamin E, B3 und Milch. Dunkle Haut stellt nicht nur ein Schönheitsmakel dar, sondern wird in dieser Beschreibung als krankhaft und einer Mangelversorgung geschuldet dargestellt. In diesen Aussagen werden die Gegebenheiten der braunen Haut pathologisiert, worauf die Erwartung der Medikamenteneinnahme zur „Heilung“ der dunklen Haut folgt.

Der ethnografische Filmemacher Hancock beschreibt zum Stil der observational camera: „Our work is based on the open interaction between us as people. […] Their perspective and concerns shape and structure the film rather than our emphasis[…]“ (Hancock zitiert nach Young 1995: 108). Mit diesem Hintergrund habe ich mich dafür entschieden, Solyka und Sochieta ausgewählte Werbespots zu zeigen, um mit beobachtender Kamera ihre spontanen Reaktionen und Meinungen dazu einzufangen, anstatt ein Fragen geleitetes Interview zu führen. Diese Reaktionen auf die jeweiligen Werbebotschaften habe ich als Parallelschnitt auf die Werbespots folgend zusammengeschnitten.

Whitening ist für namenhafte Firmen wie Nivea oder Olay eine lukrative Massenindustrie. Während auf dem westlichen Markt Hautverdunklung im Vordergrund der Marketingmaßnahmen steht, wird im asiatischen Raum die weiße Haut mit entsprechenden Produkten und Werbestrategien vermarktet. Diesen Gegensatz greife ich mit dem Schlussbild im Film auf. Die Vorher Nachher – Bilder, welche die Werbeindustrie nutzt, um die Effektivität ihrer Produkte anzupreisen, können in umgekehrter Weise im westlichen und asiatischen Raum genutzt werden. Dementsprechend konträr gestalten sich die Schönheitsideale.

Mone Spindler sieht Anti-Aging als eine Überwindung einer „scheinbar natürliche[n], essentielle[n] körperliche[n] Gegebenheit“, dessen Erforschung zur Dekonstruktion alternder Körper beitragen könnte, vergleichbar mit der Transsexualität zur Dekonstruktion von biologischem und sozialem Geschlecht (Spindler 2007: 92). Diese Überlegungen lassen sich auch auf meinen Gegenstand des Whitenings anwenden. Solykas eigene Hautgeschichte stellt einen Kontrast zu den anderen Akteuren im Film dar. Sie hat sich vom „asian mind“ (Skin Play 15:56Min) gelöst und strebt eine dem asiatischen Schönheitsbild ferne, braune Haut an. Diese Identität als schöne, braune Frau konstituiert sie durch ihre Aussagen im Film immer wieder neu. Ihre Äußerungen scheinen nicht das Resultat eines langen Prozesses hin zu einer Annahme ihrer dunklen Hautfarbe zu sein. Vielmehr sind sie Teil eines diskursiven Identitätsaufbaus, bei welchem Solyka sich von der Schönheit ihrer braunen Haut immer wieder selbst zu überzeugen scheint. Solykas Sichtweise und Umgang in Bezug auf braune Haut ist, wie auch Saronichs zuvor, durch sprachliche Diskurse und dem Handeln anderer Akteure geprägt. So erzählt sie, wie sie sich nach Gesprächen mit westlichen Freunden, die Solykas braune Haut anstreben, wunderschön gefühlt habe. Somit hat das Konstrukt heller und dunkler Haut keinen genuinen Kern, sondern wird vielmehr durch tägliche diskursive Handlungsanweisungen, die Haut aufzuhellen oder zu bräunen, geschaffen.